Anlässlich der Ausstellungseröffnung März 2011.
Heute ist der 21. März, Frühlingsbeginn.
Den Frühlingsbeginn kann man ganz unterschiedlich bestimmen:
- Astronomisch: Lage der Erde zur Sonne
- Phänologisch: nach Entwicklungsstadium der Pflanzen
Es ist offenbar, dass Regina Lenz mit ihren Fotografien den Frühling
phänologisch bestimmt. Während eine Gedichtzeile von Eduard Mörike heißt:
"der Frühling lässt sein blaues Band / Wieder flattern durch die Lüfte", ist
Richtwert für Regina Lenz die Farbe Grün und die Intensität des Entwicklung,
des Wachsens, der Entstehung.
Zu sehen sind Abbildungen, die den Zeigecharakter ganz konkret nehmen, die
nah an die Farbe heran gehen, an die Bewegung: es sind phänomenologische
Betrachtungen.
Regina Lenz - der Name scheint Programm - ist gebürtig in Recklinghausen.
Sie hat während dem Studium der Kunst - und Museumspädagogik in Freiburg die
Fotografie entdeckt. Im Anschluss hat sie in der Freien Theaterfotografie
und für künstlerisch-pädagogische Projekte gearbeitet. Nach Lebensstationen
in Berlin, Italien und Brasilien lebt sie seit 1993 wieder in Freiburg.
Diese Fotografien sind seit 2009 entstanden. Sie sind Teil einer malerischen
Phase. Lenz verwendet unterschiedliche Techniken und Darstellungsformen.
Immer jedoch ist sie beim Gang durch die Wälder auf der Suche nach einem
bestimmten Grün, das im Monat Mai zu entdecken ist.
Mir scheint, dass eine Frage vorherrschend ist: wie kann man das Blühen und
Knospen, das Werden und Entstehen, die Bewegung in ein Bild übersetzen?
Zum einen gibt es einen dokumentarischen Charakter: diese Bilder sind je für
sich keine in sich geschlossenen, sie sind Studien der Farbe Grün und der
Bewegung, sie liegen teilweise als Serien vor. Darin erinnern sie ein wenig
an die taxonomischen Aufnahmen der Düsseldorfer Becher Schule.
Taxonomien machen Zusammenhänge auf, sie helfen, Kategorien voneinander zu
unterscheiden.
So könnte man sagen, Regina Lenz arbeitet ähnlich einer Naturforscherin.
Zum anderen haben diese Bilder nichts Rationales. Regina Lenz hat mit den
Möglichkeiten experimentiert, mit Drehbewegungen, mit Tiefenschärfe. Dabei
ist nicht nur die Kamera, sondern ihr Körper in Bewegung gekommen, sie hat
in Drehungen diese Bilder aufgenommen, also ganz konkret mit der Kamera
gemalt, gezeichnet.
Es sind teils abstrakte Kompositionen, die das Figurative überschreiten,
entgrenzen.
Es sind Bilder im Fluss, in der Dynamik. Es entsteht beinahe ein Taumel, ein
Gefühl des Schwindels.
Der Einsatz des Körpers bedeutet ein in-Bewegung-Kommen.
Des Weiteren verweisen diese Bilder auf den Akt der Fotografie selbst. Die
Bilder sind Spuren ihrer eigenen Entstehung. Hier geht es nicht um das
fertige Bild, sondern die Offenheit, den Prozess.
Natürlich lassen die Fotografien auch an den alten Konflikt zwischen Malerei
und Fotografie denken, wie etwa an den Impressionismus und seiner Kritik an
der empirisch-naturwissenschaftlichen Genauigkeit der noch jungen
Fotografie. Die Impressionisten setzen sich bewusst davon ab, sie verorteten
das Sehen im Körper, in der Subjektivität des Betrachters.
Diese Konkurrenz ist bis heute, etwa mit Gerhard Richter, virulent.
Erforscht werden Bereiche des Sehens, die jenseits der technischen
Objektivierbarkeit liegen.
Jenseits aller Konzepte und Methoden ist die Freiheit, "die Freiheit zu
sehen was ist" (Lenz). Gerade im Frühling spüren wir das, Sehnsucht nach
dem Ausbruch, Grenzenlosigkeit. Ich wünsche Ihnen in diesem Sinne einen
grenzenlos-inspirierenden Abend.